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Channel: Kommentare zu: Wer braucht schon den Eiffelturm?
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Von: enbeh

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Naja. Ich bin ja sehr für Grundlagenforschung, aber ich bin mir nicht sicher, ob dieses Argument einen echten Kritiker solcher wissenschaftlichen Großprojekte wirklich überzeugen kann. Das Argument ist ja: “Kunst und historische Architektur (die mitunter ja auch Unsummen kosten) finden wir doch auch toll, obwohl es keinen praktischen Nutzen hat, also können wir doch wissenschaftliche Großprojekte genauso toll finden”. Ich finde, der Vergleich funktioniert nicht aus zwei Gründen.

Zum einen ist es eine empirische Frage, ob Dir die Mehrheit überhaupt zustimmen würde, dass wir Kunst und Architektur so toll finden. Eiffelturm und Mona Lisa sind jetzt vielleicht keine besonders kontroversen Beispiele. Aber nicht umsonst gibt es den Spruch “Ist das Kunst oder kann das weg?”. Es gibt viele Kunstwerke, die zu sehr hohen Preisen ge/verkauft werden, die viele Menschen nicht einmal von Nicht-Kunst unterscheiden können. Ein Kritiker könnte Dir also erwidern: nee, moderne Kunst finde ich doof, moderne Architektur finde ich genauso doof, und wissenschaftliche Großprojekte ebenso.

Zum zweiten bezweifle ich folgendes:

Der Blick auf die Welt, die uns große Teleskope oder Teilchenbeschleuniger liefern, ist für viele Menschen genauso wichtig und befriedigend wie es der Blick auf ein Gemälde oder die Lektüre eines Buches ist.

Sicher, für die involvierten Wissenschaftler und interessierte Laien mag das so gelten. Aber mal ernsthaft: man muss schon ziemlich viel Imagination und Fachwissen haben, um die Ergebnisse am LHC wertschätzen zu können. Ich behaupte mal, bei den von Dir verwendeten Beispielen aus Kunst und Architektur (man könnte hier bestimmt auch den Sport hinzufügen) ist das schon anders. Es haben mit Sicherheit mehr Menschen einen Urlaub in Paris verbracht und dabei den Eiffelturm gesehen (die Freiheitsstatue oder die Pyramiden besucht/ein Fußballspiel gesehen) als den LHC. Dass Freiheitsstatue, Eiffelturm und oder der SV Werder Bremen mehr mit unserer Lebenswirklichkeit zu tun haben, liegt natürlich auch an der medialen Vermittlung. Wenige heute lebende Menschen sind per Schiff in die USA ausgewandert, und bei der Immigration an der Freiheitsstatue vorbeigekommen. Allerdings sind uns entsprechende Bilder aus Büchern oder Filmen präsent, und wir können uns entsprechende Geschichten vorstellen (unabhängig davon, wie zutreffend die sein mögen). Welche Geschichte soll jemand mit dem LHC verbinden?

Das mag sich alles ändern, und eines Tages werden die Leute vielleicht genauso stolz auf den LHC sein, wie sie den Eiffelturm bewundern (der ja auch nicht von Beginn an so beliebt war). Momentan finde ich aber andere Argumente für Grundlagenforschung wichtiger: es kostet vergleichsweise weniger als man denkt und der Nutzen ist langfristig größer als man erwarten mag.


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